Service Design im Maschinen- und Anlagenbau
Professionelles Service Design ist die Grundlage für nachhaltiges Wachstum im Dienstleistungsbereich. Durch die zunehmende Einbettung klassischer Produkt-Service-Systeme in digitale Geschäftsmodelle ergeben sich vielfältige Chancen und Potenziale für industrielle Wertschöpfungsnetzwerke und insbesondere für den Maschinen- und Anlagenbau. Im folgenden Beitrag möchte ich Ihnen einen kurzen Überblick über Chancen und Potenziale geben sowie Methoden und Werkzeuge vorstellen,…
Professionelles Service Design ist die Grundlage für nachhaltiges Wachstum im Dienstleistungsbereich. Durch die zunehmende Einbettung klassischer Produkt-Service-Systeme in digitale Geschäftsmodelle ergeben sich vielfältige Chancen und Potenziale für industrielle Wertschöpfungsnetzwerke und insbesondere für den Maschinen- und Anlagenbau. Im folgenden Beitrag möchte ich Ihnen einen kurzen Überblick über Chancen und Potenziale geben sowie Methoden und Werkzeuge vorstellen, die Sie bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle unterstützen.
Vieles ist möglich – Chancen und Herausforderungen
Von Prozessoptimierung und datenbasierten Beratungsleistungen über verschiedene präventive und intelligente Wartungs- und Instandhaltungsdienstleistungen bis hin zu völlig neuen, bisher unbekannten Leistungsangeboten ist vieles denkbar. Funktionale Leistungsbündelung und die zunehmende Vernetzung technischer Systeme bilden hierbei die Basis für zukünftige Wachstumsperspektiven. Deren Erschließung erfordert allerdings eine vollkommen neue Ausrichtung der Produkt- und Leistungspolitik am Kundennutzen.
Demgegenüber ist der klassische Produktservice für Industrie- und Investitionsgüter oftmals noch getrieben von der technischen Notwendigkeit produktbegleitende Dienstleistungen wie Wartung, Reparatur, Schulungen und Ersatzteile anzubieten. Mehrheitlich wurde erkannt, dass in Anbetracht der digitalen Möglichkeiten gerade im Dienstleistungsbereich nachhaltige Wachstumspotenziale bestehen und es wurde begonnen das bestehende Portfolio um weitere Leistungsangebote zu erweitern. Entwicklungs- und Markteinführungsprozesse sind jedoch oftmals nur unzureichend am Kundennutzen und gesamtunternehmerischen Interessen ausgerichtet.
Weitergehende Ansätze des Innovationsmanagements werden vielfach nicht zielgerichtet eingesetzt, wodurch vor allem mögliche Potenziale, die über eine Erfüllung des Kernnutzens hinausgehen, nicht genutzt werden. Darüber hinaus sind zahlreiche Technologie- und Plattformentscheidungen zu treffen, die eine strategische Auseinandersetzung erfordern. Der sich vollziehende Wandel vom technischen zum integrativen Lösungsanbieter mit zunehmenden Softwareanteilen ist für das gesamte Unternehmen von zentraler Bedeutung. Innerhalb der Organisation ist ein Bindeglied von der technischen Funktions- und Leistungsbetrachtung zu einem kundennutzenorientierten Produkt- und Dienstleistungsportfolio zu schaffen. Das sollte zum einen eine wertbasierte Positionierung am Markt ermöglichen als auch die heute notwendige Skalierbarkeit und Agilität aufweisen.
Limitierung durch Know-How und Ressourcenverfügbarkeit
Neben der Schwierigkeit, dass etablierte strategische Steuerungsinstrumente keine ausreichend sichere Planungsgrundlage für Investitionsentscheidungen mehr bieten, werden auch Unternehmen, die sich für eine Investition in Ihr Dienstleistungsportfolio entschieden haben, durch einen Mangel an Know-How und Entwicklungsressourcen schnell wieder ausgebremst.
Dies liegt unter anderem daran, dass das für die Ausgestaltung der technischen Dienstleistungen notwendige Qualifikationsprofil nicht so einfach durch Personalmaßnahmen gewonnen werden kann. Notwendig sind Know-How-Träger, die sowohl Technologieverständnis mitbringen als auch Methoden der Geschäftsmodellierung beherrschen und zusätzlich die dienstleistungsspezifischen Besonderheiten (z.B. Sensibilität für den menschlichen Faktor) verstehen. Diese Barrieren können aber durch die Zusammenarbeit mit externen Partnern abgebaut werden.
Große Chancen liegen oftmals im Kleinen verborgen – Innovationsmanagement im Maschinenbau
Generell bergen nicht nur disruptive und revolutionäre Innovationen das Potential ein bestehendes Geschäftsmodell tiefgreifend zu verändern. Gerade im Dienstleistungsbereich sind es oftmals nur kleine Erhöhungen des Kundennutzens, die zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil und damit zu einer dauerhaften Erlössteigerung führen. Hier gilt es sämtliche Innovationsfelder im Blick zu behalten und geeignete Maßnahmen und Produkte für die verschiedenen Aktionsfelder abzuleiten.
Beginnen Sie zunächst mit einer Analyse ihres aktuellen Geschäftsmodells. Beziehen Sie dabei sowohl externe und interne Umweltfaktoren ein. Eine umfassende Analyse der installierten Basis ist ein wichtiger Bestandteil und hilft dabei bestehende Geschäftsmechaniken und Potenziale zu ermitteln. Diese sollte aber keinen limitierenden Faktor bei der Entwicklung neuer Dienstleistungen und Serviceangebote darstellen.
Danach sollte sich eine systematische und umfassende Betrachtung aller Innovationsfelder anschließen, um die richtigen Schwerpunkte zu definieren und geeignete strategische Stoßrichtungen zu bestimmen. In einer darauffolgenden Ideengenerierungs- und Bewertungsphase werden innerhalb kurzer Zeit verschiedenste Geschäftsmodellinnovationen erarbeitet und grob skizziert. Hierbei ist nicht primär der Neuheitsgrad entscheidend, sondern auch eine imitative und ableitende Herangehensweise führt oftmals zu guten Ergebnissen. Mögliche Innovationsideen sind sowohl aus Kundensicht als auch aus Daten- und Prozesssicht zu bewerten. Das oftmals schon reflexartig herangezogene Gegenargument, dass zum Beispiel branchenfremde Geschäftsmodelle nicht auf die Situation im Maschinen- und Anlagenbau mit seinem hohen Anteil an Projektgeschäft und kundenindividuellen Sonderlösungen übertragbar sind sollte aber erst einmal außen vor bleiben.
Mit Hilfe von Methoden des Produkt- und Portfoliomanagements sowie agiler Entwicklungsprozesse geht es dann in die Umsetzung und Markteinführung. Erfolgskritisch ist ein zielorientierter Entwicklungsauftrag, der einerseits auf einer klaren Roadmap basiert, aber gleichzeitig die notwendigen Freiheitsgrade zur kreativen Entfaltung aufweist und eine flexible Reaktion auf Kundenfeedback ermöglicht. Gerade letzteres gilt es in hohem Maße einzuholen und zu berücksichtigen.
Gerade neuartige digitale Services sollten durch die Einführung pragmatischer und leicht umzusetzender Supportprozesse mit einem definierten Service Level begleitet werden. Das ist nötig, um die neue Dienstleistung ständig zu optimieren um diese auch langfristig zum Erfolg zu führen.
Für alle Phasen gilt, dass hierbei die Wertschöpfung des Kunden und nicht die eigenen Produkte im Fokus stehen.
Potenziale erschließen mit einer methodenorientierten Vorgehensweise
Die Gestaltung eines erfolgreichen Dienstleistungsportfolios ist kein einmaliges Projekt, sondern das Ergebnis methodengestützter Workflows und eines langfristig ausgerichteten Portfolio Managements. Je nach Phase im Lebenszyklus kommen unterschiedliche Werkzeuge zum Einsatz. Allgemein bieten Empfehlungen zum Aufbau eines Produktmanagementprozesses (vgl. VDI 4520) eine gute Orientierung. Im Falle technischer Dienstleistungen, die einen starken Bezug zu den unterschiedlichsten Instandhaltungsaktivitäten haben, sind ebenfalls geeignete Engineering Werkzeuge im Design-Prozess zu verankern. Andernfalls läuft man Gefahr, dass gut durchdachte, neue Geschäftsmodelle nur mäßigen Erfolg verbuchen, da die technischen Leistungsinhalte nicht standardisiert beschrieben oder die notwendigen Voraussetzungen nur bei einzelnen Maschinentypen gegeben sind. Auch andersherum entfalten technologische Neuerungen oftmals kein Geschäftspotenzial im Service, da Technologie- und Geschäftsmodellentwicklung nicht reibungslos ineinander greifen. Deshalb ist es wichtig beide Richtungen im Blick zu behalten und sowohl Top-Down (vom Geschäftsmodell zur Technologie) als auch Bottom-Up (von der Technologie zum Geschäftsmodell) zu denken.
Je nach Blickwinkel kann entweder das anvisierte Geschäftsmodell oder neue Technologien Treiber (Driver) bzw. Hebel (Enabler) für das Produkt-Service-System sein. Abhängig davon welcher Weg beschritten wird, unterscheiden sich Werkzeuge und Projektorganisation für die Lösungsdefinition. Beim Top-Down-Ansatz wird oftmals mit einer Analyse der Customer Journey und Persona-Definition begonnen und im Anschluss wird eine Value Proposition herausgearbeitet. Im Rahmen von Machbarkeitsstudien werden Technologien für die Umsetzung der abgeleiteten Geschäftsmodelle bestimmt, die das beste Kosten-/ Nutzenverhältnis aufweisen. Kommt man hingegen aus Richtung der Technologie spielen eher System- und Funktionsanalysen unter Einbeziehung des betrachteten Wertschöpfungsnetzwerks eine Rolle. Gerade im Fall neuer, innovativer Technologien sind in vielen Fällen noch Barrieren abzubauen um erfolgreiche Geschäftsmodelle zu etablieren. So können ergänzende Dienstleistungen (z.B. Übernahme von Garantierisiken) oder „as-a-Service“-Modelle den Unterschied ausmachen.
Professionelles Service Design noch unterrepräsentiert
Bei der Entwicklung neuer oder Pflege bestehender Dienstleistungen setzen viele Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus überwiegend auf In-house Ressourcen und projektbezogene Unterstützung durch IT-Dienstleister für Umsetzungsaufgaben. Aus meiner Sicht ist es nicht verwunderlich, dass in vielen Fällen das Wachstum im Servicegeschäft rein auf Preissteigerungen im bereits etablierten Wartungs- und Ersatzteilgeschäft zurückzuführen ist. Das ist auch der Fall, wenn ganze Geschäftsbereiche in „Digital Business Units“ umbenannt wurden. Noch kurioser finde ich es allerdings, wie zur Zeit Entwicklungsbudgets allokiert und Projekte gesteuert werden. Wurde in der Vergangenheit zum Beispiel bei einer Erhöhung der Ersatzteilbevorratung mit messbarem Effekt auf Lieferverfügbarkeit und Auftragswahrscheinlichkeit ein detaillierter Business Case gefordert und Planabweichungen centgenau durch das Controlling getrackt, so reicht heute ein vages Bauchgefühl um für viel Geld ein eventuell überflüssiges Dashboard zu entwickeln. Der Eindruck, dass mit der Anzahl der Buzzwords in der Projektbeschreibung im gleichen Maße auch das Budget steigt, während wirtschaftliche Erfolgskennzahlen und ergebnisorientierte Vorgehensweisen an Bedeutung verlieren, ist glaube ich nicht so falsch. Dieser Entwicklung kann meines Erachtens nach durch professionelle Service Design und Produktmanagement Strukturen entgegengewirkt werden und zwar mit Blick auf das gesamte Portfolio. Da diese Ressourcen nicht so leicht zu finden sind sollten nicht nur intern Stellen umetikettiert werden, sondern Know-How aufgebaut oder externe Dienstleister langfristig und erfolgsorientiert mit eingebunden werden.