Reparatur und Instandsetzung – Reaktionsfähigkeit bleibt auch in Zukunft wichtig!
Reaktive Instandhaltung und Reparatur bleiben wichtige Optimierungsthemen. Run-to-failure kann auch in Zukunft in einigen Fällen die bessere Wahl sein. Neue Technologien können aber dazu beitragen, die First-time-fix-rate zu erhöhen.
Die Diskussion über zukunftsweisende Instandhaltungsstrategien wird aktuell von datengetriebenen Ansätzen im Umfeld der Industrie 4.0 dominiert. Nach Möglichkeit sollen Abweichungen vom Soll-Zustand frühzeitig erkannt und unvorhergesehene Störfälle durch Ansätze des Predictive Maintenance reduziert werden. So weit, so gut. Fast schon etwas in Vergessenheit geraten ist dagegen die Erkenntnis, dass sich eine resiliente Instandhaltungsorganisation vor allem auch durch eine schnelle Wiederherstellung des Betriebszustandes im Fehlerfall auszeichnet.
Korrektive Instandhaltung
Die Qualität reaktiver Instandhaltungsprozesse hat großen Einfluss auf die Verfügbarkeit technischer Systeme und zeigt sich demzufolge auch in der Entwicklung klassischer Instandhaltungskennzahlen wie dem OEE. Ein komplettes Bild ergibt sich allerdings erst, wenn auch die Instandhaltungskosten in die Betrachtung mit einbezogen werden. Denn die Effizienz korrektiver Maßnahmen zeigt sich im Verhältnis von Input zu Output. Je nach Zielsetzung kann die Outputfunktion natürlich variieren und auch die Kritikalität der betrachteten Leistungseinheit spielt eine wichtige Rolle.
Im Spannungsfeld zwischen Zeit, Kosten und Qualität kommt es also darauf an, wie die Instandhaltungsorganisation in Bezug auf die folgenden Themenbereiche aufgestellt ist:
Auf welche Fähigkeiten es bei einer Reparatur ankommt
Im akuten Fehlerfall ist der Zeitfaktor entscheidend. Unterbrechungen im Materialfluss und damit verbundene Wartezeiten steigen in einer Wertschöpfungskette stromabwärts exponentiell an. Benötigte Ersatzteile sollten nun vorrätig und Werkzeuge griffbereit sein. Viel wichtiger ist allerdings, dass technisches Instandhaltungspersonal bereit steht und alle Beteiligten wissen was zu tun ist. Eine schnelle und wirkungsvolle Reparatur setzt voraus, dass Reaktionspläne und Arbeitsanweisungen nicht nur für das QM Handbuch erstellt wurden, sondern kontinuierlich im Team weiterentwickelt werden.
Konzepte und Methoden des Total Productive Maintenance (TPM) legen ihren Schwerpunkt zwar auf vorbeugende Maßnahmen, die dahinter stehenden Grundgedanken lassen sich aber gut übertragen. Methoden der Rüstzeitoptimierung, wie z.B. SMED (Single Minute Exchange of Die), sind auch wunderbar dazu geeignet die First Time Fix Rate (FTFR) stetig zu verbessern. Beim SMED-Konzept bedient man sich gerne der Analogie zur Formel 1 um das Konzept zu veranschaulichen. Eine optimale Vorbereitung und ein hoher Übungsgrad sind demnach das Erfolgsrezept. Auch wenn kein Ausfall wie der andere ist, so lässt sich doch Vieles standardisieren und verbessern. Selten auftretende, aber kritische Störfälle sollten darüber hinaus regelmäßig geübt werden auch wenn kein Sicherheitsrisiko besteht.
Bei der Planung von Instandsetzungsprozessen sollte deshalb auch zwischen internen und externen Tätigkeiten unterschieden werden.
In vielen Fällen lassen sich auch interne Tätigkeit durch organisatorische Maßnahmen auch so verändern, dass Sie auch vor oder nachgelagert erfolgen können. Für einen reibungslosen Ablauf ebenso wichtig ist, dass Eskalationswege und Entscheidungsbefugnisse klar geregelt sind. Keinesfalls sollten mangelnde Befugnisse zu Verzögerungen führen oder scheinbare Fehlentscheidungen im Nachgang sanktioniert werden.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass eine gute Vorbereitung und eine moderne Führungskultur den Unterschied ausmachen können.
Ersatzteilmanagement
Ein effektives Ersatzteilmanagement bleibt auch in der digitalen Welt ein wesentlicher Eckpfeiler einer funktionierenden Instandhaltungsorganisation.
Unter Ersatzteilmanagement wird die optimale Bevorratung von Ersatzteilen im Hinblick auf Kosten und Verfügbarkeit verstanden. Ein effektives Ersatzteilmanagement setzt voraus, dass eine strategische Zielsetzung in Form messbarer Service Level vorliegt. Für wiederkehrende Wartungsteile mit bekanntem Verbrauch kann mit einfachen verbrauchsgesteuerten Lagerhaltungsstrategien gearbeitet werden.
In den meisten Fällen ist jedoch eine individuelle Risikoeinschätzung unter Berücksichtigung der Ausfallkosten unverzichtbar.
Bei vielen industriellen Anwendungen sind allerdings Funktionsbaugruppen auf ein spezifisches Verfahren zugeschnitten. Geringe Stückzahlen und mangelnde Standardisierung erschweren eine bedarfsgerechte Lagerhaltung, die die optimale Balance zwischen Sicherheit und Wirtschaftlichkeit darstellt. Im besten Fall wird schon im Rahmen der Beschaffung ein Augenmerk auf dieses Thema gelegt. Oftmals kann es über den gesamten Lebenszyklus gerechnet günstiger sein, lieber eine etwas zu große Maschine in Standardausführung, als eine passgenaue, individuelle Lösung zu beschaffen.
Konzepte des Predictive Maintenance oder firmenübergreifendes Ersatzteil-Pooling könnten aber zukünftig einen Teil dazu beitragen, die Verfügbarkeitskosten zu senken. Insbesondere für Sonderbauteile versprechen additive Fertigungsverfahren zwar keine direkte Erhöhung des Service Levels, sind aber dazu geeignet die Ausfallzeiten zu reduzieren.
AR Technologie ermöglicht größere Flexibilität bei der Kapazitätsplanung
Ein großes Potenzial virtueller Assistenzsysteme in der Instandhaltung besteht sicherlich darin, dass Expertenwissen per Remoteunterstützung hinzugezogen werden kann und nicht mehr zwangsläufig in jeder Schicht Vorort sein muss. So wird es möglich, die First Time Fix Rate zu erhöhen und gleichzeitig Kosten zu sparen. Nach anfänglichen Experimenten gehen immer mehr Unternehmen den Schritt in Richtung Augmented Reality (AR) zur Optimierung ihrer Instandhaltungsabwicklung.
Systemverständnis kann nicht ersetzt werden
Datenbasierte Ansätze und Prädiktionsmodelle werden Instandhaltungsstrategien ermöglichen, feste Intervalle weniger entscheidend sein werden. Das ist nicht nur unter Kostengesichtspunkten zu begrüßen, sondern auch um einiges nachhaltiger. Der Einsatz neuer Technologien sollte aber mit einer klaren Zielsetzung erfolgen. Es bleibt aber auch zukünftig ein großer Restbereich an Maßnahmen übrig, bei denen eine reaktive Run-to-failure-Strategie, die bessere Wahl ist. Nur mit einem tiefgreifenden Systemverständnis kann eine frühzeitige Einschätzung erfolgen, an welchen Stellen Investitionen wirklich Sinn machen.