Service Design von Dienstleistungspaketen – Glücksspiel?
Mit der zunehmenden Dienstleistungsorientierung des Leistungsangebots stellt sich auch im Industriebereich die Frage, wie die verschiedenen Leistungsbausteine von Wartungs- und Reparaturangeboten bis hin zu neuen digitalen Dienstleistungen zu attraktiven Leistungsbündeln zusammengefasst und abgerechnet werden können. Ein wesentlicher Punkt, der aus meiner Sicht einen erheblichen Einfluss auf die mittel- und langfristige Profitabilität hat, ist die Tatsache…
Mit der zunehmenden Dienstleistungsorientierung des Leistungsangebots stellt sich auch im Industriebereich die Frage, wie die verschiedenen Leistungsbausteine von Wartungs- und Reparaturangeboten bis hin zu neuen digitalen Dienstleistungen zu attraktiven Leistungsbündeln zusammengefasst und abgerechnet werden können. Ein wesentlicher Punkt, der aus meiner Sicht einen erheblichen Einfluss auf die mittel- und langfristige Profitabilität hat, ist die Tatsache das Servicepakete oder Bundles eine eigene Wettbewerbsdynamik über den gesamten Lebenszyklus besitzen. Aufgrund unterschiedlicher Gesetzmäßigkeiten werden Anbieter vor neue Herausforderungen gestellt.
Lohnenswert ist der Blick auf klassische Dienstleistungsbranchen (IT-Services, Versicherungen, Hotellerie, Personenverkehr), bei denen die sich ergebenden Effekte einen enormen Einfluss auf das Marktgeschehen haben.
Die folgenden Szenarien geben einen guten Überblick über Herausforderungen, die bei der Konzeption neuer Dienstleistungspakete beachtet werden sollten.
Der Lottogewinn
Während der gesamte Wettbewerb neuen Features hinterherjagt, optimiert und scheinbar vom Markt geforderte Innovationen vorantreibt, wird oftmals verkehrt abgebogen, eine Panne fabriziert oder es entstehen leere Batterien. Es wird sich also noch einmal intensiv mit der Kundschaft beschäftigt oder einfach nur einen Volltreffer gelandet, indem ein Leistungsbaustein hinzugenommen oder verändert wird, der genau die für die Kaufentscheidung ausschlaggebenden Kundenbedürfnisse adressiert. Dieser Schachzug verändert die Kundenwahrnehmung derart schnell, dass Unternehmen in eine marktbeherrschende Stellung katapultiert werden. Darüber hinaus gelingen eine starke Nutzungsgewohnheit, eine persönliche Kundenbeziehung oder anderweitige Lock-in-Effekte. Es kann auch der Glücksfall eintreffen, dass es sich um eine „Subscribe and Forget“-Leistung handelt. Auf jeden Fall wurde es geschafft die Innovationsrendite in eine niemals endende Cashflow-Party zu verwandeln, bei der aktuelle und potenzielle Mitbewerber nur ab und zu als zu bemitleidender Partyschreck vorbeischauen und meist mit leerem Portemonnaie wieder nach Hause gehen. Ironischerweise stehen diese „Game Changer“ in gar keinem direkten Bezug zur eigentlichen Funktion der Dienstleistung, sind scheinbar trivial oder bestehen sogar im Weglassen von Leistungselementen.
Erfolgreiche Beispiele sind unter anderem:
Gerade bei digitalen Dienstleistungen kommt dieses Szenario gar nicht so selten vor wie man glauben mag. Wichtig ist aber dieses Marktszenario frühzeitig zu erkennen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Im besten Fall haben Sie Ihren Lottoschein mit den sechs Richtigen rechtzeitig abgegeben, in anderen Fall würde es Ihnen nicht helfen mit der gleichen Zahlenkombination einen Tag später bei der Annahmestelle zu erscheinen. Leider weiß man nie genau wann die Ziehung stattfinden wird, oder ob sie vielleicht schon stattgefunden hat. Vielfach hat sich aber gezeigt, dass dieser Zeitpunkt nicht primär vom Einführungszeitpunkt der eigentlichen technologischen Innovation abhängig, sondern durch exponentielles Nutzerwachstum in Kombination mit geringen Abwanderungsraten zu erkennen ist. Sollten diese Indikatoren also nicht im eigenen Dashboard grün aufleuchten und sich im Zuge der Marktbeobachtung bei einem Mitbewerber verorten lassen ist entschlossenes Handeln gefragt. In den seltensten Fällen hilft es wahllos weitere Leistungsbausteine in das Paket mit aufzunehmen oder sich unter Inkaufnahme geringer oder gar negativer Margen Kunden erkaufen zu wollen.
Im Umkehrschluss gilt aber auch, dass bis zu dem Zeitpunkt, jeder Teilnehmer noch die gleichen Chancen hat unabhängig davon, wem die technologische Innovation zuzuschreiben ist. In dieser Phase sind also zwei Dinge entscheidend: Die oben genannten Kennzahlen zuverlässig und in kurzen Zeitabständen zu ermitteln und parallel die verschiedensten Innovationsdimensionen mit schnellen Testverfahren abzuklappern.
Aus meiner Sicht ist bei Industriedienstleistungen eine Strategie des „Links Überholens“ zurzeit sehr vielversprechend. Mit so mancher Verwunderung nehme ich den Trend wahr, dass viele Innovatoren zu früh mit einem value-basierten Preisansatz eine Monetarisierung anstreben und sich selbst ins Aus schießen. Entscheidende Wachstumskennzahlen wie Nutzungsraten können also gar nicht erst ermittelt werden, da der Weg zur Erkundung der Nutzenvorteile durch ein überdimensioniertes Preisschild versperrt wird. Aber auch das andere Extrem, dass der Innovator sich dem kommerziellen Potenzial seiner Innovation gar nicht bewusst ist oder die positiven Kundenrückmeldungen sogar einen ganz anderen Leistungsbaustein zuschreibt, ist zu beobachten.
All-Inclusive bis man draufzahlt
Weit verbreitet in vielen Dienstleistungsmärkten ist eine Paketbildung, die mit dem All-Inclusive Ansatz von Pauschalreisen vergleichbar ist. Nachdem sich ein gewisses Preisniveau herausgebildet hat, wird versucht durch eine Erhöhung der im Paket inkludierten Leistungsbestandteile neuen Differenzierungsspielraum zu schaffen.
Das ist in Ordnung, solange die Leistungserhöhung den bereits genannten „Man könnte wenn man wollte“- Prinzip folgt. Das bedeutet, es können ruhig Austern und Champagner aufs Buffet gestellt werden, um damit die eigene Kundschaft zu beeindrucken, solange sichergestellt ist, dass aufgrund der Tageszeit und anderen Rahmenbedingungen wirklich nur in Ausnahmefällen zugegriffen wird. Andernfalls sind Sie irgendwann gezwungen das Preisniveau anzuheben und können dann nur hoffen, dass die Kunden diese Qualitätssteigerung auch bezahlen. Insbesondere wenn außer den direkten Leistungsbestandteilen keine weiteren Differenzierungsmerkmale herangezogen werden können, gerät man schnell in eine Situation, die sich gut als „All-you-can-eat im Industriegebiet“ beschreiben lässt. Diese wird nur noch aussichtsloser, wenn aus dem Schnitzel noch ein XXL-Schnitzel wird.
Aufgrund der zunehmenden Variantenvielfalt und Konfigurationsmöglichkeiten bei technischen Dienstleistungen kenne ich den Wunsch nach einfachen und transparenten Preismodellen. Transparenz bedeutet aus Kundensicht hauptsächlich Nachvollziehbarkeit. Es kann durchaus einfacher sein, sich in einer gut strukturierten und logisch aufgebauten Speisekarte zurechtzufinden, als bei nur zwei verschiedenen Leistungspaketen (z.B. Basic & Premium) herauszufinden, welche der vielen unterschiedlichen Einzelbausteine zu diesem signifikanten Preisunterschied führt. Wer glaubt, dass All-Inclusive Bändchen am Handgelenk nichts mit Industriedienstleistungen zu tun haben, der möge sich einmal mit Service Kollegen aus dem Windkraftbereich unterhalten.
Low-Cost Ausreißer
Folgt ein Großteil der Marktteilnehmer dem beschriebenen All-Inclusive Ansatz und konzentriert sich primär darauf das Rundum-Sorglos-Paket, als goldene Mitte ihrer üblicherweise drei Preisabstufungen, zu verkaufen wird mit Sicherheit irgendwann der Low-Cost-Ausreißer auf dem Plan stehen. Üblicherweise lassen sich zwei dominierende Erscheinungsformen unterscheiden.
Der Preis-Reduzierer macht sich nicht allzu viele Gedanken, sondern startet mit der These, dass weniger Marge gebraucht wird um glücklich zu werden. In einer frühen Marktphase kann diese Strategie manchmal sogar erfolgreich sein, vor allem wenn Innovatoren und vermeintliche Lottogewinner durch fehlgeleitetes Value-Pricing bei geringen Markteintrittsbarrieren exorbitante Mondpreise aufgerufen haben. In reiferen Marktphasen führen derartige Versuche aber oftmals noch nicht einmal mehr ins Industriegebiet, sondern enden für die Glücksuchenden eher in einem Imbisswagen auf den Baumarkt Parkplatz, bei dem man aufgrund des etwas ranzigen Geruchs lieber ein paar Schritte Abstand hält.
Der Leistungs-Reduzierer hingegen hat die Input-/Output Faktoren und Prozesskennzahlen des Servicesystems genauer analysiert und festgestellt, dass aktuell sehr viele Ressourcen für Zusatzfunktionen bereitgestellt werden, die in der Wahrnehmung des Kunden kaum eine Rolle spielen. So konnte darüber hinaus ermittelt werden, dass die Performance der Service-Delivery-Prozesse in den von den Kunden am höchsten priorisierten Leistungsbestandteilen unter dem Ballast der kostenintensiven Zusatzfunktionen leidet. Darauf aufbauend entwickelt der Leistungs-Reduzierer ein Dienstleistungspaket, das die wirklich wichtigen und auch wahrgenommenen Funktionen enthält, die dann zu einem viel günstigeren Preis bei besserer Performance angeboten werden können. Die bisherigen Platzhirsche haben aufgrund der scheinbar nicht notwendigen Ressourcenintensivität große Overheads aufgebaut, die nicht so einfach reduziert werden können. So hat der Leistungs-Reduzierer nach dem ersten Coup genug Zeit die Kundenbindung zu vertiefen. Aber auch bei diesem Ansatz ist Vorsicht geboten, denn wird nach Reduzierungseifer und zunehmenden Kundenbeschwerden festgestellt, dass es doch die Tasse Kaffee und das Lächeln am Empfang waren, die die Kunden primär wahrgenommen haben, kann sich darüber gefreut werden, wenn neben dem Baumarkt hoffentlich bald ein Supermarkt eröffnet. Vor allem wenn weiter an der Preisschraube nach unten gedreht wird um fehlende Leistungsbausteine auszugleichen.
Missverständnisse
Vermutlich hat es jeder in den unterschiedlichsten Situationen schon einmal erlebt, dass man für eine Dienstleistung bezahlt hat oder sogar fortlaufend bezahlt und bei Inanspruchnahme mit Erschrecken feststellt, dass die für eine Nutzung essenziellen Leistungsbestandteile gar nicht enthalten sind. Noch bitterer wird es, wenn der fehlende Leistungsbestandteil wie im Falle von Versicherungspolicen im Bedarfsfall nicht einmal mehr durch Zuzahlung ergänzt werden kann. Das muss nicht immer Schuld des Anbieters sein, doch ich glaube, jedem ist das etwas mulmige Gefühl nach einer Buchung vertraut, wenn nicht zu 100% feststeht, ob ein Sitzplatz reserviert oder doch ein Ticket gekauft wurde.
Dieses Missverständnis tritt häufig bei Leistungsoptionen auf, die separat erworben, aber nur in Kombination mit anderen Leistungsbestandteilen genutzt werden können. Ebenso wenn im Falle von Subskriptionsmodellen die Laufzeiten nicht synchronisiert werden, so dass für Zusatzlizenzen weiterbezahlt wird, obwohl sie nicht mehr genutzt werden können. Anders stellt sich aus meiner Sicht der Sachverhalt dar, wenn für eine Nutzung zwingend erforderliche Funktionen nicht enthalten sind aber von der Marketingabteilung etwas anderes suggeriert wurde oder das gesamte Leistungsangebot nur ersonnen wurde um Kunden sprichwörtlich in die Falle zu locken. Glücklicherweise werden solche Betrügereien durch die zunehmende Vernetzung von Kunden erschwert.
In diesen Bereich zähle ich auch die folgenden häufig anzutreffenden Leistungsbündel:
Auch wenn derartige Schwindeleien in manchen Branchen lange Zeit unentdeckt bleiben können, sollte davon Abstand genommen werden und im Sinne einer guten Kundenbeziehung jegliche Missverständnisse so gut es geht vermieden werden.
Wie sieht das ideale Servicepaket aus?
Wie aus den vorgestellten Szenarien ersichtlich wurde, kann die Art und Weise, wie verschiedene Leistungsbausteine zu einem Paket gebündelt werden, einen erheblichen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg haben. Nicht zwangsläufig führt der Weg in eine so “extreme” Positionierung, dennoch sind derartige Marktsituation weit verbreitet. Die ideale Zusammensetzung eines Servicepakets für ein spezifisches Kundensegment hängt stark davon ab wie homogen oder inhomogen sich die Nachfragesituation darstellt. Um das maximale Kaufkraftpotenzial abzuschöpfen, ist bei jedem Leistungsbestandteil der Grenznutzen im Zusammenhang mit den Gesamtpaket zu bestimmen sowie mögliche Positionierungsauswirkungen zu betrachten. Der Grenznutzen ist der erfahrene Nutzenzuwachs durch den zusätzlichen Konsum eines Leistungsbestandteils und hängt stark vom jeweiligen Bedarf ab. Letzterer kann durch geeignete Marketinginstrumente natürlich beeinflusst werden und ist keine feste Größe. Dennoch sollten valide Annahmen getroffen werden, die als Messlatte herangezogen werden können. Grundsätzlich gilt darüber hinaus, dass Preisdifferenzierung und Leistungsdifferenzierung immer aneinander gekoppelt werden sollten.