Service Package Design – Basics
Der Nutzen oder Mehrwert, den ein Kunde durch die Inanspruchnahme einer Dienstleistung erfährt, ist in aller Regel keine objektiv messbare Größe. Gemäß des Kano-Modells wird die minimale Ergebniserwartung durch die Erfüllung der Basismerkmale eines Produktes oder einer Dienstleistung definiert. Der wahrgenommene Nutzen insgesamt besteht aber aus allen Eindrücke und Erlebnissen und ist die Summe aller…
Der Nutzen oder Mehrwert, den ein Kunde durch die Inanspruchnahme einer Dienstleistung erfährt, ist in aller Regel keine objektiv messbare Größe. Gemäß des Kano-Modells wird die minimale Ergebniserwartung durch die Erfüllung der Basismerkmale eines Produktes oder einer Dienstleistung definiert. Der wahrgenommene Nutzen insgesamt besteht aber aus allen Eindrücke und Erlebnissen und ist die Summe aller Abweichungen von einer persönlichen Erwartungshaltung multipliziert mit einer individuellen Gewichtung.
Dies gilt nicht nur für den Leistungsprozess als solches, sondern für die gesamte Kundenbeziehung und jegliche Interaktionsschnittstellen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass es vor allem qualitative Begeisterungsmerkmale sind, die das Nutzererlebnis überproportional positiv beeinflussen können.
So viel wahrnehm- und erlebbare Leistungsbestandteile wie möglich
Da sich die qualitativen Merkmale verschiedener Anbieter nicht so einfach in einer Feature-Tabelle gegenüberstellen lassen, lässt sich für das Service Design prinzipiell sagen, dass in puncto Begeisterungsmerkmale je mehr desto besser gilt. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht, denn folgende Faktoren machen die Rechnung um einiges komplizierter:
1. Additionsregel gilt nur im positiven Bereich: Die alte Weisheit, dass negative Erlebnisse nicht so einfach durch positive Erlebnisse im gleichen Verhältnis ausgeglichen werden können, ist nicht neu. Meiner Erfahrung nach ist bei Dienstleistungen die Kompromissbereitschaft um ein Vielfaches geringer als bei physischen Produkten und die Knock-Out-Schwelle wird bei negativen Abweichungen viel schneller erreicht. Als Knock-Out-Schwelle bezeichne ich den Punkt, ab dem die Gesamtleistung als unzureichend eingestuft wird, obwohl nur bei einem Merkmal minimal von der Erwartungshaltung negativ abgewichen wird. Hierbei spielt es in der Regel keine Rolle, ob die Erfüllung dieses Merkmals Bestandteil der primären Leistungsfunktion ist oder es sich um eine optionale Zusatzleistung handelt. Bei Letzterem ist gegebenenfalls das Toleranzfeld etwas größer, dennoch sollten Zusatzleistungen und Optionen nur in ein Servicepaket aufgenommen werden, wenn diese den Gesamteindruck im besten Fall positiv, aber keinesfalls negativ beeinflussen.
2. Einfluss der Inszenierung und Komposition: Auch bei datenbasierten, digitalen Dienstleistungen ist das Nutzererlebnis am Ende eine emotionale Bewertung. Wie bei einem Konzert, einem Film oder einem guten Roman sollten auch die einzelnen Dienstleistungselemente Teil einer den Kunden hoffentlich langfristig fesselnden Inszenierung sein. Dies bedeutet zum einen, dass auch abgespeckte Basispakete nicht langweilig daherkommen sollten und zum anderen, dass Spannungsbogen und großes Finale immer so gewählt werden, dass dies mit Applaus und Standing Ovations von allen Besuchern gefeiert wird. Sollte also beispielsweise das anvisierte Servicepaket keine wirklichen Höhepunkte am Ende der Durchführung beinhalten oder nur von den Zuschauern in der ersten Reihe gesehen werden können, dann kann es durchaus Sinn machen weitere Leistungsbausteine hinzuzunehmen, um hier Abhilfe zu schaffen.
3. Leistungs- und Begeisterungsmerkmale müssen standardisiert und reproduzierbar sein: Gerade Begeisterungsmerkmale können aufgrund situationsspezifischer Zusammenhänge oder interagierender Personen einer großen Streuung unterliegen. Es sollte keinesfalls dem Zufall oder Softskills überlassen werden, ob die zur Kundenbegeisterung gedachten Leistungsbausteine ihr Potential entfalten können. Denn meiner Erfahrung nach kennt jeder diese „Ach, das geht“- oder „Das bieten Sie auch an, wusste ich ja noch gar nicht, das ist ja toll“-Momente. Oft entsteht das Gefühl, dass bei einem bestimmten Anbieter ein viel umfassenderes Dienstleistungspaket erhältlich ist, nur aufgrund der Tatsache, dass die einzelnen Bestandteile konkreter erklärt wurden. Auf einen Geheimtipp, der sich dann viral entfaltet, sollte man deshalb nicht vertrauen, sondern dies durch Standardisierung des Leistungsprozesses sicherstellen.
4. Es gibt auch zu viel des Guten: In der Tat kann auch Übererfüllung einen negativen Bumerang-Effekt haben. Dieser kann unter anderem dadurch zustande kommen, dass der oben genannte Spannungsbogen nicht der Kundenerwartungen entspricht oder es zu einer Schieflage aufgrund einer Überpriorisierung eines Teilbereichs kommt. Wenn also gut gemeinte Leistungsbausteine nicht nach dem Motto „Ein anderes Mal gerne, aber jetzt habe ich gerade keine Zeit“ abgewählt werden können, oder diese erst einmal der Befriedigung, der aus Kundensicht wichtigere Bedürfnisse erfolgen, können sich als Begeisterungsmerkmale gedachte Leistungsbestandteile negativ auf die Gesamtbewertung auswirken.
Konvention vor Konfiguration
Diese Regel ist eigentlich ein Software-Design Paradigma. Einfach ausgedrückt geht es darum, auf projekt- und anwendungsspezifische Konfiguration soweit möglich zu verzichten und sich stattdessen an allgemeingültigen Konventionen zu orientieren. Die zunehmende Variabilität und der modulare Aufbau von Dienstleistungspaketen sollte also keinesfalls dazu führen, dass der Konfigurationsaufwand in gleichem Maße steigt oder eine aufwendige Konfiguration die Leitungsdurchführung erschweren. Insbesondere, wenn die eigenen Kunden nicht zum Subway-Klientel gehören. Keinesfalls sollten Konfigurationen Wissen oder andere Inputfaktoren auf Kundenseite erforderlich machen, die unter Umständen nicht vorhanden sind.
Den Hinweis, dass diese oder jene Einstellung für die meisten Auftraggebenden ausreichend ist, nehme ich des Öfteren gerne an und muss zugeben manchmal gar nicht zu wissen zwischen welchen Auswahlmöglichkeiten ich in diesem Szenario unterscheiden soll. Fehlt dieser Hinweis oder sogar die Auswahlmöglichkeit und ich bin darüber hinaus gezwungen meine Anforderungen zu spezifizieren, dann gehe ich doch lieber gleich zu einem Dienstleister, der mir wenigstens die Konfigurationsmöglichkeiten nennt. Dienstleistungspakete sollten deshalb so zugeschnitten sein, dass sie in ihrer Standardkonfiguration möglichst keinen Konfigurationsaufwand im Vorfeld erfordern, um den angedachten Use-Case zu erfüllen. Auch die verwandten Prinzipien „Don‘t repeat yourself“ und dass KISS-Prinzip (Keep it simple, stupid) sollten in diesem Zusammenhang beachtet werden.
Horizontale und vertikale Paketbildung führen zu unterschiedlicher Positionierung
Wer sich in der Vergangenheit auch nur rudimentär mit Fragestellungen des strategischen Marketings befasst hat, kennt vermutlich die Unterschiede zwischen horizontaler und vertikaler Produkt-Leistungsdifferenzierung. Für alle anderen sei kurz erläutert, dass ich mein Produktprogramm entweder durch den Verkauf von Produkten mit ähnlichen Eigenschaften durch Veränderung einzelner oder weniger Merkmale (z.B. Packungsgröße) oder durch die Einbeziehung vor- und nachgelagerter Produkte erweitern kann.
Ersteres wird horizontale Differenzierung genannt, während beim Letzteren von vertikaler Differenzierung gesprochen wird. Beides ist selbstverständlich auch im Falle von technischen Dienstleistungen möglich. Wichtig ist auf jeden Fall nicht zu meinen es wäre am erfolgversprechendsten das ganze Supermarktregal von oben bis unten, sowie die Gänge links und rechts mit seinen Leistungen zu bestücken und in einem Komplettpaket anzubieten. Es sollte bewusst sein, dass Leistungsdifferenzierung in vielen Fällen zu einer Neupositionierung und einer veränderten Kundenwahrnehmung des gesamten Leistungsangebots führen kann. Nicht umsonst wurde in der Vergangenheit versucht den potenziellen negativen Effekten z.B. durch Mehrmarkenstrategie entgegenzuwirken. Pauschal lässt sich aber sagen, dass bei der Konzeption von neuen Paketen mit dem Ziel der Leistungsdifferenzierung nicht nur die anvisierte neue Zielgruppe betrachtet werden sollte, sondern immer auch die Auswirkungen auf die bestehenden Kundengruppen. Sonst kann es passieren, dass man sich im Zuge der horizontalen Erweiterung sprichwörtlich das eigene Wasser abgräbt oder im Zuge der vertikalen Erweiterung zur Zielscheibe neuer Mitbewerber wird, die vielleicht – mit ganz anderen Ressourcen ausgestattet – dann im Gegenzug auch die eigene Kundschaft umgarnt.
Substitutionseffekte berücksichtigen
Meist von einer gewissen Euphorie für das neue Geschäftspotenzial abgelenkt, wird das ein oder andere Mal vergessen daran zu denken, dass sich im Zuge der Leistungsveränderung auch Substitutionseffekte verändern können. Aus meiner Erfahrung heraus ist dies vor allem bei der vertikalen Erweiterung oder Reduzierung des Leistungsumfangs, als auch bei der primär wertgetriebenen Positionierung einer neuen Dienstleistung mit einem bisher eher unbekannten Nutzungsszenario der Fall. Ein gutes Beispiel sind die vielen und zum Teil auch für viel Geld entwickelten IT-Lösungen von bisher eher produktorientierten Anbietern. Natürlich mögen diese Informationssysteme, die meist einen speziellen Use-Case abdecken bei richtiger Interpretation ein enormes Einsparpotenzial auf Kundenseite aufdecken und deshalb aus Sicht des Anbieters ein ordentliches Preisschild verdienen. Es sollte aber nicht vergessen werden, dass im Zeitalter offener Schnittstellen, technologisch ausgereiftere und etablierte IT-Systeme mit größerem Funktionsumfang und besserer Usability oft schon mit wenigen Klicks den gleichen Use-Case bedienen können.
Value ist vom Nutzer abhängig und mit Sicherheit nicht unendlich
Es soll kein falscher Eindruck entstehen: Ich bin fest davon überzeugt, dass Preisstrategien sich immer am Kundenwert ausrichten sollten und aufwandsbasierte Dienstleistungspreise mit die größten Wachstumsbremsen sind. Dennoch ist es meiner Einschätzung nach ein Fehler mögliche Einsparpotenziale und vermeintliche Effizienzgewinne überproportional zu gewichten und andere Werttreiber, die sich manchmal schwieriger quantifizieren lassen, nur unzureichend zu würdigen. Auch preismindernde Substitutionseffekte und eine kritische Betrachtung der Innovationshöhe gehören unbedingt mit in die Rechnung. Sollte sich beispielhaft mit Excel und etwas Workflow-Verknüpfung ein vergleichbarer Informationsgehalt erzeugen lassen, wie in der schicken web-basierten Dashboard-Anwendung, kann dieser Sachverhalt nicht einfach ignoriert werden.
Eigenständiger Gesamtnutzen
Wie bereits an anderer Stelle durchgeklungen halte ich nicht viel davon Leistungsbündel anzubieten, bei denen offensichtlich ist, dass sie den vom Kunden angenommenen Nutzen nicht erfüllen. Das heißt, sollten Sie sich tatsächlich für ein dreistufiges Paket-Modell entscheiden, sollte zumindest auch die Basisvariante vielleicht mit geringerem Funktionsumfang und geringerer Effizienz den gesamten Use-Case abdecken. Hier ist sehr viel Fingerspitzengefühl gefragt, um genau die Differenzierungsmerkmale zu erwischen, die eine maximale Abschöpfung der Zahlungsbereitschaft ermöglichen und gleichzeitig dazu führen, dass sich die Kundschaft im Leistungslevel fair behandelt fühlt. Besonders beim Experimentieren ist zu beachten, dass Anpassungen im Nachhinein von oben nach unten einfach sind, wohingegen es sehr schwer sein kann, den Zugang für einmal gewährte Funktionen, nur noch höheren Preisstufen zu gewähren.
Klarer Umgang mit Leistungsversprechen
Leistungsversprechen sowohl einzelner Module als auch des gesamten Pakets sollten immer so formuliert und kommuniziert werden, dass der jeweilige Nutzer – und nicht gegebenenfalls sein Rechts-, IT- oder anderweitiger Berater – den Leistungsinhalt nachvollziehen kann. Die Prüfung, ob die angebotenen Leistungsbestandteile dem Bedarf entsprechen muss so einfach wie möglich sein. Oftmals ist es sinnvoller lieber ein Feature als Konfigurationsmöglichkeit bereitzustellen (natürlich unter Berücksichtigung des Konvention-vor Konfiguration-Paradigmas), als dieses Feature zum Anlass zu nehmen ein weiteres Dienstleistungspaket einzuführen.
Besonderheiten bei Hardware
Die Integration physischer Komponenten in ein Dienstleistungspaket kann sowohl Treiber sein als auch eine Limitierung und Kostenfalle darstellen. Eine allgemeingültige Empfehlung kann ich an dieser Stelle zwar nicht geben; doch sollte das Geschäftsmodell nicht zwingend die Abrechnung als eine gebündelte Leistungseinheit erforderlich machen, kann es Vorteile bieten, die Hardware zu separieren. Sonst führt gegebenenfalls die Inkludierung von Verbrauchsmaterialien und Verschleißteilen oder die Kapazitätsbindung im Fall von Mietgeräten in Kombination mit einer Mischpreiskalkulation dazu, dass der Gesamtpreis für Wenignutzer unattraktiv wird, während bei Vielnutzern draufgezahlt werden muss.
Bei neuen Technologien, bei der die Finanzierung der notwendigen Hardware ein Nutzungshemmnis darstellt, insbesondere weil die Zukunftsfähigkeit der Technologie für den Nutzer nicht so einfach zu beurteilen ist, kann ein „as-a-Service“-Modell natürlich Barrieren abbauen. Aber auch hier wäre zunächst zu prüfen, ob die notwendige Technologie-Miete als eigenständig abrechenbares Modul behandelt werden kann. Dies hat immer den Vorteil einer größeren Flexibilität bei der Preisgestaltung und einer kostenspezifischen Anpassung der Leistungsinhalte, die sich insbesondere in stärkeren Wettbewerbsauseinandersetzungen bezahlt machen kann. Bei einem Paketpreis ist darüber hinaus die Wertzusammensetzung für die Auftraggebenden nicht so leicht erkenntlich und tendenziell wird der Wertbeitrag des physischen Guts als determinierende Größe gesehen.
Ein pauschaler Paketpreis macht eigentlich nur Sinn, wenn die Dienstleistung primär aus Nutzung und Bereitstellung der Hardware besteht. In beiden Fällen sollte darauf geachtet werden sich in puncto Auswahl, Austauschzyklen oder Leistungsparameter so viel Freiheitsgrade wie möglich einzuräumen. Ansonsten kann man ganz schnell in die Verlegenheit kommen, dass Mitbewerber eine scheinbar modernere Hardware als Differenzierungsmerkmal einsetzen, die außer höheren Kosten keine wirklichen Vorteile bietet.
Marktabgrenzung macht den Unterschied
Insgesamt lässt sich festhalten, dass je treffender die Bedürfnisse eines Marktsegmentes sich in der Auswahl und Zusammensetzung der Leistungsbestandteile widerspiegeln, umso höher wird die Kundenakzeptanz ausfallen. Eine stereotype Persona- oder Branchendefinition sollte deshalb vermieden werden. Ratsam ist Kundenprofile nicht so allgemeingültig zu formulieren, dass sich jeder wie in einer Horoskopbeschreibung wiederfindet. Eher sollte versucht werden die Extrempositionen im Sinne einer klaren Abgrenzung sehr detailliert zu beschreiben und mit Hilfe von Stichproben die Häufigkeit und Verteilungsfunktion dieser Merkmale für die große Masse abzuleiten.