Design für die additive Fertigung
Komplexe Geometrien und filigrane Leichtbaustrukturen, auf diesem Gebiet kann die additive Fertigung ihre Vorteile ausspielen.
Wurden additive Fertigungsverfahren bisher überwiegend im Prototypenbau eingesetzt, so erobern sie sich zunehmend ihren festen Platz auch in der Serienproduktion.
Der Siegeszug der neuen Verfahren wird dadurch begünstigt, dass die sich durch deren Einsatz ergebenden Potenziale zunehmend in Konstruktion und Entwicklung berücksichtigt werden. Denn ihre Überlegenheit können sie erst dann so richtig ausspielen, wenn schon bei den ersten Prinzipskizzen wirklich jenseits klassischer fertigungstechnischer Limitierung gedacht wird. Einige Autoren sprechen in diesem Zusammenhang auch von kognitiven Barrieren, die erst einmal zu überwinden sind. Warum? – Gerade bei der kostenoptimalen Bauteilgestaltung unterscheiden sich konventionelle und additive Fertigung diametral. Das liegt nicht nur an anderen Skalierungseffekten im Hinblick auf die zu fertigende Stückzahl. Viele Vorteile finden sich bei Themen, die bisher eher als Kostentreiber galten. Es lohnt sich also ein genauerer Blick auf die Ansätze, die sich hinter dem Konzept „Design for additive manufacturing“ verbergen.
Design for additive manufacturing – Die Potenziale sind gewaltig
Wie auch bei anderen Deign-for-X-Konzepten ist auch „Design for additive manufacturing“ (dt. Konstruktion für die additive Fertigung) kein abgeschlossenes Regelwerk im Sinne einer Richtlinie, sondern eher eine Sammlung von Empfehlungen, die sich aus den Vorteilen der Verfahren ableiten lassen.
Der Bereich der additiven Fertigung und die zugehörigen Fertigungsverfahren entwickeln sich rasant. Potenziale, die sich zum Beispiel durch die Möglichkeit zur Kombination unterschiedlicher Materialen in einem Fertigungsschritt ergeben, befinden sich noch in einer frühen Phase. Dennoch möchte ich an dieser Stelle einmal auf die wesentlichen Vorteile eingehen.
Bauteilkomplexität
Die Herstellung komplexer Bauteile ist nicht kostenintensiver und in vielen Fällen sogar günstiger als beispielsweise der Druck einfacher Geometrien. Galt bisher komplex gleich teuer, ist dies bei vielen additiven Verfahren nicht der Fall. Denn genau in diesem Punkt zeigt sich der größte Unterschied in der Herangehensweise. Beginnt man mit einem Rohteil und erzeugt eine Geometrie durch das Abtragen von Material, erhöht jeder Bearbeitungsschritt die Kosten enorm, während die Materialkosten zu vernachlässigen sind. Genau umgekehrt verhält es sich beim Auftragen von Material. Jegliches Materialvolumen, das erst geschaffen werden muss erhöht die Fertigungszeit und die Materialkosten. Deshalb sind vermeintlich einfache Bauteile im 3D-Druck sehr teuer, wohingegen komplizierte Stützkonstruktionen, die konventionell gar nicht zu fertigen oder kaum zu bezahlen wären, wirtschaftlich gefertigt werden können.
Bewegliche Bauteile ohne Montage
Die additive Fertigung ermöglicht eine ganz neue Art der Funktionsintegration. Scharniere, Ketten oder andere bewegliche Bauteile, die mehrere Füge- und Montageoperationen benötigen, können nun in nur einem Fertigungsschritt hergestellt werden.
Materialintegration
Innen Marmelade, außen Teig. Ähnlich wie bei der Möglichkeit, Konstruktionen herzustellen, die bisher nicht möglich waren, verschieben sich auch zunehmend die Grenzen im Hinblick auf den Materialaufbau. Der gezielte Einsatz unterschiedlicher Materialeigenschaften wird so noch einfacher.
Strukturelle Komplexität
Immer dann, wenn des Verhältnis von Festigkeit zu Gewicht optimiert werden soll eröffnen sich durch die additive Fertigung ganz neue Optionen. Durch Gitterstrukturen, Wabengeometrie oder aufgeschäumtes Material ermöglichen Leichtbaukonstriktionen auf einem neuen Level. Da Leichtbau an vielen Stellen eine Schlüsseltechnologie ist, um Energie zu sparen, wird alleine schon aus diesem Grund kein Weg mehr an den dazu notwendigen Fertigungstechnologien vorbei führen.
Intuitiver Design- und Fertigungsprozess
Die Entwicklung und Konstruktion neuer Elemente setzte in der Vergangenheit immer auch voraus, genau wissen, wie das Bauteil einmal gefertigt und montiert werden soll. Dies ist natürlich auch beim Design for additive manufacturing der Fall, nur sind die Freiheitsgrade hier um einiges größer.
Bessere Materialausnutzung
Dem Wesen additiver Verfahren ist inharänt, dass nur so viel Material auftragen wird, wie benötigt wird. Demzufolge ist auch die Ressourceneffizienz unter diesem Gesichtspunkt besser.
Design-Prozess – Von der Funktionsfläche zum fertigen Bauteil
Konstruktion ist oftmals ein kreativer und ergebnisoffener Prozess, bei dem bekanntlich viele Wege nach Rom führen. Neben funktionalen Anforderungen spielt auch das ästhetische Empfinden eine Rolle. Dennoch bietet es sich an mit der Gestaltung der Funktionsflächen zu beginnen und sich dann unter Einsatz der Finite Elemente Methode (FEM) and die optimale Gestaltung heranzutasten. Demzufolge lässt sich der ideale Design-Prozess für additive Fertigungsverfahren in vier Schritte unterteilen.
Design Prozess für die additive Fertigung
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Initiale Formgebung
Basierend auf den benötigten Schnittstellen zu anderen Bauteilen, die auch als Wirk- oder Funktionsfläche bezeichnet werden, wird die grobe Form des Bauteils erarbeitet. Das macht Sinn, da das Belastungskollektiv, das auf das spätere Bauteil einwirkt, zu einem großen Teil natürlich durch dessen Interaktion an den geometrische und energetische Schnittstellen bestimmt wird.
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Festlegung weiterer Parameter und Grenzbedingungen
In diesem Schritt geht es darum, alle Anforderungen festzulegen, die zwingend erfüllt werden müssen. Zusätzlich zu den Anforderung an die Wirkflächen können sich Beschränkungen im Hinblick auf den zu Verfügung stehenden Bauraum oder anderen Faktoren ergeben.
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Parametrische Optimierung
Sind Anforderungen klar benannt und die konzeptionellen Fragestellungen geklärt, ist nun die optimale Formgebung in Bezug auf Material- und Energiebrauch sowie Bearbeitungszeit und -kosten zu bestimmen. Dies wird realisiert indem sukzessive Material weggenommen und mit der Finite-Elemente-Analyse geprüft wird, ob die Belastungsanforderungen erfüllt werden.
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Fertigungssimulation
um Schluss muss sichergestellt werden, dass die optimierte Formgeometrie auch herstellbar ist. Dies erfolgt durch Simulation des Bearbeitungsprozesses in einer virtuellen Maschine.
Zukunftstechnologie auf dem Weg zur Massenanwendung
Additive Verfahren weisen zwar noch keinen vergleichbaren prozessualen Reifegrad zu konventionellen Technologien auf, dennoch ist davon auszugehen, dass deren Verbreitung exponentiell wachsen wird. Allen voran aufgrund der sich ergebenden Möglichkeiten im Leichtbau und dem Trend zu sinkenden Stückzahlen bei gleichzeitig steigender Bauteilkomplexität.
Dass die additive Fertigung auf dem Vormarsch ist, zeigt sich auch daran, dass mittlerweile alle namhaften Hersteller von Werkzeugmaschinen entsprechende Anlagen im Programm haben oder in diese Technologie investieren wollen.