Aktualisiert am: 01.03.2022
Thema
Service Design | Service Engineering
Service Design: Modularisierung, Standardisierung und Optimierung
Durch einen modularen Aufbau und zielgerichtetes Service Design lassen sich Dienstleistungserlebnisse schaffen, die Flexibilität, Effizienz und Kundenbegeisterung ineinander vereinen.
Worum geht’s?
Wenn im Service Design über einen standardisierten Aufbau und Variantenreduzierung von technischen Dienstleistungen und Systemen nachgedacht wird, spielen Begriffe wie Baureihen, Baukasten und Plattformen und damit verbunden Modularisierung, Integral- und Differentialbauweise eine wichtige Rolle. Darüber hinaus sind noch zahlreiche weitere Ansätze wie Parametrik, Typisierung und Prinziplösungen nennen. Es gibt also eine Vielzahl von Herangehensweisen, die sich aber auch teilweise inhaltlich überschneiden. An dieser Stelle sollen die Hauptanliegen und die jeweilige Art und Weise der Variantenbildung und Konfigurationslogik kurz vorgestellt werden.
Design Prinzipien
Im Service Engineering und Design bieten sich verschiedene prinzipielle konstruktive Lösungsansätze im Spannungsfeld zwischen Individualisierung und Standardisierung an, die auf der einen Seite ausreichende Freiheitsgrade zur individuellen Gestaltung aufweisen aber gleichzeitig die Realisierung von Standardisierungspotenzialen ermöglichen.
Baureihe, Baukasten und Plattform
Bei Baureihen wird mit Hilfe von Normzahlreihen und Ähnlichkeitsgesetzen eine Skalierung bzw. systematische Abstufung eines Produktes oder Dienstleistung bei gleichbleibender Funktion, konstruktiver Ausführung und Schnittstellen vorgenommen. Auf diese Weise erhält man eine festgelegte Anzahl von Varianten, läuft allerdings bei einer zu groben Stufung Gefahr nicht mehr die aus Kundensicht optimalen Leistungsparameter anbieten zu können. Bei einer zu feinen Stufung lassen sich wiederum keine Vorteile gegenüber einer individuellen Einzelkonfiguration realisieren. Häufig wird eine Baureihe mit einem Baukasten kombiniert, der eng verknüpft ist mit dem Begriff der Modularisierung, worunter man die „Bildung von funktionalen und logischen Einheiten, die als solche komplett austauschbar sind versteht. Modularisierung ist somit die Grundlage für die Entwicklung von Baukästen und Plattformen und setzt die Definition geeigneter Schnittstellen für die Verbindung und den Austausch der einzelnen Module voraus.
Wird bei einem Baukastendesign ein Gesamtsystem aus einzelnen Modulen zusammengesetzt, so verfolgt der Plattformansatz die Strategie der Festlegung auf eine einheitliche Basisstruktur, die durch zusätzliche Module und Erweiterungen ergänzt werden kann. Generell kann die Konstruktion der einzelnen Module mittels Integral oder Differentialbauweise erfolgen. Während unter ersterem die Zusammenfassung von Funktionen in einem Modul zu verstehen ist, ist die Differentialbauweise sozusagen der Baukasten auf Teileebene und zielt auf eine Auffächerung der Funktionsstruktur ab. Häufig werden diese Ansätze intuitiv angewendet. Bei einer Maschine sind die Antriebe und Maschinenrahmen nach Leistungsklassen gestuft, so dass man in diesem Bereich von einer Baureihe sprechen könnte und bei der Verwendung von Normteilen greift man auf einen Baukasten zurück. Auch die Zusammenstellung des Gesamtsystems einer Anlage aus Up- und Downstream Equipment erfolgt in vielen Fällen nach einer Baukastenlogik. Der Plattformansatz findet sich bei der Verwendung von Vorzugsmaterialien wieder. Auch bei der Zusammensetzung von Dienstleistungsmodulen können diese Vorgehensweisen herangezogen werden.
Die Herausforderung besteht darin, diese Ansätze durchgängig bei Grundkonzeption des Gesamtsystems zu berücksichtigten. Der Versuch, solche Ansätze nachträglich für untergeordnete Module und Systemkomponenten zu implementieren ist mit vielen Schwierigkeiten behaftet, da beispielsweise keine einheitliche Schnittstellendefinition vorliegt. Aus diesem Grund ist das Prinzip der Modularisierung nicht auf eine einzelne Elemente und Funktionen zu beschränken, sondern nach dem Top-Down Prinzip auf das Gesamtsystem anzuwenden.
Parametrik, Typisierung und Prinziplösungen
Während Baureihen, Baukasten und Plattformen einen strukturellen Ansatz verfolgen zielen Parametrik, Typisierung und Prinziplösungen mehr auf die Designlogik bzw. auf eine Vereinfachung Lösungsfindung ab. Unter Typisierung oder auch Prinziplösungen versteht man die Vorgabe eines Lösungsschemas für die Realisierung einer Teilfunktion. So sind beispielsweise in einem Designkatalog Lösungsprinzipien nach Anforderungen gegliedert hinterlegt und der Service Designer, muss dieses Prinzip nur noch durch geringfügige Anpassungen übertragen. Prinziplösungen können die Vorstufe der Parametrik sein, worunter eine Umsetzung einer Konstruktionslogik mit Hilfe von Methoden der CAD-Automation zu verstehen ist. Der konstruktive Aufwand für die individuelle Anpassung von Systemkomponenten wird so auf ein Minimum reduziert. Diese Herangehensweise bietet sich an, wenn eine starre Baureihe aufgrund stark diversifizierender Leistungsparameter oder zu geringer Stückzahlen nicht in Frage kommt. Auf diese Weise werden zwar nach wie vor kundenindividuelle Varianten erzeugt, für die aber im Vergleich zur bisherigen Einzelkonskonfigurationen keine zusätzlichen Kosten entstehen.
Strukturoptimierung und Systemkonfiguration bei technischen Dienstleistungen
Technische Dienstleistungen zeichnen sich in vielen Fällen durch einen hohen Individualisierungsgrad aus, da die Leistungserstellung nach dem Design-to-Order-Prinzip erfolgt. Der Kunde hat hierbei einen weitreichenden Einfluss auf die Auswahl und Gestaltung der Systemkomponenten, was dazu führt das die Anzahl möglicher Varianten theoretisch unbegrenzt ist. Die Verfolgung des klassische Baukasten oder Baureihenansatzes würde bedeuten, dass man entweder versucht, sämtliche denkbare Varianten, vorweg zunehmen und zu entwickeln oder aber die Einflussmöglichkeit des Kunden deutlich zu begrenzen. Daraus wird deutlich, dass eine Gliederung bzw. Aufteilung eines Dienstleistungssystems hinsichtlich der Systemstruktur vorzunehmen ist bzw. die individualisierbaren Bereiche zu identifizieren, abzugrenzen und deren Ausgestaltung sowie deren Beziehung untereinander zu definieren. In diesem Zusammenhang spricht man auch von Strukturoptimierung.
Das Ziel des Service Designs muss es sein die Systemstruktur zu definieren bzw. die unterschiedlichen Bereiche festzulegen. Der fixe Bereich stellt die Grundfunktion und –struktur der Dienstleistung dar, der nur über einen längeren Zeitraum verändert werden kann und somit einen auftragsübergreifenden strukturellen Kern bildet. Die notwendige Individualisierung wird über variable Produktbereiche realisiert. Obligatorische Alternativen sind funktionsnotwendige Bestandteile, bei denen der Kunde aber die jeweilige Ausprägung bestimmen kann. Optionale Alternativen stellen im Gegensatz Ergänzungen dar, die nicht für die Erfüllung der Grundfunktion notwendig sind, die aber in einer vordefinierten Form gegeben sind und oftmals aus Kundenwünschen der Vergangenheit abgeleitet werden. Bei skalierbaren Bereichen handelt es sich um Strukturelemente, die nach festgelegten Regeln innerhalb definierter Grenzen angepasst werden können. Definierte und allgemeine Freiräume sind Elemente die für individuelle Anpassungen die höchsten Freiheitsgrade aufweisen. Definierte Freiräume sind bereits vorgeplante Freiräume, das heißt Module bei denen vorher berücksichtigt wird, dass Individualisierungswünsche häufig auftreten werden. Bei allgemeinen Freiräumen handelt es sich hingegen um Module innerhalb derer individuelle Anpassungen möglich sind, die aber im Vorfeld nicht geplant waren. Sie können aber trotzdem im Rahmen Strukturoptimierung gezielt berücksichtigt werden. Es handelt sich um ungeplante Anpassungen bei denen die Möglichkeiten der Individualisierung im Bedarfsfall konkret abgeschätzt werden können. Strukturelle Varianten sind Designstrukturen mit unterschiedlichen fixen und variablen Bereichen. Die individualisierbaren Module werden mit Hilfe von Funktionsmatrizen, -graphen und durch Bildung semantischer Netze und Cluster identifiziert. Die verschiedenen Systemelemente werden so auf Abhängigkeiten und Funktionszusammenhänge untersucht.
Es geht darum die Vorteile einer modularen Systemarchitektur, auch für Dienstleistungen mit hohen Komplexitäts- und Individualisierungsgrad nutzbar zu machen. In diesem Modell finden sich die bereits beschriebenen konstruktiven Ansätze auf struktureller Ebene (z.B. Plattform = fixer Bereich, Baukasten = optionale und obligatorische Alternative) wieder.
In vielen Fällen ist augenscheinlich eine Definition der Systemtrukturstruktur der Dienstleistungsmodule vorhanden bzw. wurde intuitiv geschaffen. In der Regel handelt es sich hierbei aber nicht um eine durchgehende Systematik.
Agile Entwicklung eines Dienstleistungssystems
Strukturoptimierung einem iterativen, d.h. rückgekoppelten Prozess, da beispielsweise im Bereich der optionalen oder obligatorischer Alternativen wieder prinzipielle Lösungen oder skalierbare Bereiche zu finden sein können. Deshalb eignen sich agile Design-Methoden sehr gut für die Erarbeitung. Diese sollte jedoch projektübergreifend erfolgen, da die Erstellung solch einer mehrdimensionalen Systemstruktur einer zentralen Organisation und Planung bedarf.
Der Vorteil bei der Definition und Erarbeitung solch einer Systemstruktur besteht darin, dass dadurch übergreifende Design- und Optimierungsprozesse ermöglicht werden. Instandhaltungs- und Dienstleistungskonzepte werden dann nicht mehr rein reaktiv für ein spezielles technisches Objekt entwickelt, sondern es wird der Wandel zu einem aktiven, vorausschauenden und innovationsfördernden Service Design Prozess vollzogen.
Dienstleistungskonfiguration
Eine nach diesem Schema geschaffene Systemstruktur ist die Basis für eine zielgerichtete Dienstleistungskonfiguration. „Konfigurationist eine computergestützte Gestaltungsaktivität zur Auswahl oder Spezifikation von Leistungsmerkmalen, bei der die Menge verfügbarer Komponenten und deren Kombinationsmöglichkeiten a priori bestimmt sind.“ Das bedeutet die Zusammenstellung der Dienstleistung erfolgt auf Basis eines vorher definierten Lösungsraumes der im Rahmen der Strukturoptimierung geschaffen wurde.
Ziel ist es, ein System bzw. einen organisierten Ablauf der Kombination der Elemente des Lösungsraums mit integrierter Plausibilitätsprüfung festzulegen. Simultan oder auch abschließend zum Kombinationsprozess erfolgt die Planung der Leistungsdurchführung. Die Prozesse sollen so, im Sinne eines integrierten Designprozesses systematisiert und wenn möglich sogar automatisiert werden, um eine Effizienzsteigerung zu erreichen. Für das Design besonders relevant ist die sogenannte CAD-zentrische Produktkonfiguration. Hierbei erstellen Konfigurationsprogramme mit entsprechenden Schnittstellen zu einem CAD-System automatisch das notwendige 3-D-Modell.
Das Zusammenspiel aus Systemstrukturierung und Dienstleistungskonfiguration entspricht dem generellen methodischen Vorgehen der Organisationslehre aus Analyse und Synthese, bei dem die Systemstrukturierung die Analyse und die Dienstleistungskonfiguration die Synthese darstellt. Dadurch wird eine durchgehende und organisierte Methodik geschaffen, die auch das Zusammenspiel verschiedenster Unternehmensbereiche erleichtert und vor allem eine bessere Interaktion mit dem Kunden ermöglicht. Ein solches Vorgehen findet auch bei modernen Web-Applikationen Anwendung und eignet sich auch für technische Dienstleistungen im Industrieumfeld.
Der Hauptvorteil besteht darin, dass der Marktforderung nach Individualisierung nachgekommen, aber geleichzeitig Effizienzgewinne durch Standardisierung ermöglicht werden. Es wird eine Komplexitätsschnittstelle zwischen der hohen äußeren Komplexität bzw. Varianz und der aus betriebswirtschaftlicher Sicht notwendigen geringen interner Komplexität geschaffen.