Aktualisiert am: 06.05.2022

Reibung in Fertigunsprozessen

Thema

Grundlagen | Service Engineering

Reibung

In vielen industriellen Produktions- und Fertigungsprozessen spielen Reibungsprozesse eine wesentliche Rolle. Viele Prozesse werden durch Reibung erst ermöglicht, aber auch Verschleiß wird oftmals durch Reibung hervorgerufen.

Was ist Reibung?

Reibung ist ein Bewegungswiderstand und kann als Verlust von mechanischer Energie beschrieben werden. Reibung lässt sich sowohl durch verschiedene Reibungsarten als auch durch Reibungszustände charakterisieren. In Bezug auf die Reibungsarten kann unter anderem zwischen Roll-, Gleit- oder Bohrreibung unterschieden werden. Durch eine Einteilung der Stribeck-Kurve in unterschiedliche Bereiche ergeben sich verschiedene Reibungszustände, anhand derer sich ein tribologisches System beschreiben lässt.

Reibungszustände

Die unterschiedlichen Reibungszustände lassen sich am besten anhand der Stribeck-Kurve erläutern. Die Stribeck-Kurve ergibt sich wenn man die Reibzahl f bzw. den Reibungskoeffizienten µ über die Gleitgeschwindigkeit aufträgt. Mit Hilfe der spezifischen Schmierfilmdicke λ kann eine Abgrenzung der verschiedenen Reibungszustände vorgenommen werden. Festkörper­reibung tritt bei unmittelbarem Kontakt zweier Körper ohne Schmierung auf. Bei Flüssigkeitsreibung hingegen liegt die vollständige Trennung der Wirkflächen durch einen Schmierfilm, der sowohl hydrostatisch als auch hydrodynamisch erzeugt werden kann, vor. Bei  vielen technischen Prozessen ist besonders der Bereich der Mischreibung relevant, bei dem sowohl Festkörper- als auch Flüssigkeitsreibung auftritt. Das bedeutet, dass ein Schmierfilm vorhanden ist, der aber lokal von Rauheitsspitzen durchbrochen wird. Ebenso relevant ist die Grenzreibung, bei der Reibung zwischen Grenzschichten stattfindet, die sich durch Oxidation oder durch Reaktion der metallischen Oberflächen miteinander oder mit dem Schmierstoff gebildet haben.

Haftreibung und Gleitreibung am Beispiel der Stribeck-Kurve

Was ist Haftreibung?

Die Haftreibung ist eine besondere Form der Festkörperreibung. Die Reibkraft verhindert in diesem Fall eine Relativbewegung an der Kontaktfläche. Dieser Zustand wird auch als Haften bezeichnet und ist eine Verbindung zweier Körper durch Kraftschluss.

Was ist Gleitreibung?

Sobald es zu einer Relativbewegung kommt, also die äußere Krafteinwirkung größer als die Haftreibungskraft ist, wird von Gleitreibung gesprochen. Die Gleitreibungskraft wirkt der Bewegungsrichtung entgegengesetzt.

Reibungsgesetze – Was ist der Reibungskoeffizient?

Für die mathematische Beschreibung der Reibung haben sich in der Mechanik verschiedene Reibmodelle etabliert. Vor allem zwei Modelle finden in der Plastizitätstheorie vielfach Anwendung. Bei niedrigen Kontaktnormalspannungen, die vorwiegend bei Umformverfahren auftreten, besitzt das allgemein bekannte Reibgesetz nach Coulomb Gültigkeit. Hierbei wird ein linearer Zusammenhang zwischen Normalkraft FN und Reibkraft FR, bzw. den aus der Krafteinwirkung resultierenden  Schub- und Normalspannungen  über einen Proportionalitätsfaktor µ aufgestellt. Dieser Proportionalitätsfaktor wird auch als Reibungskoeffizient bezeichnet.

Diese Proportionalität ist aber nur bis zu einer gewissen Grenze gegeben. Wenn die Reibspannung die Schubfließspannung des Werkstoffs übersteigt, kommt es zu einer sogenannten Haftreibung an der Kontaktfläche und das darunter liegende Material beginnt zu fließen. Das Reibgesetz nach Coulomb verliert somit seine Gültigkeit, weshalb vor allem bei Massivumformprozessen das Reibfaktorgesetz angewendet wird. In diesem Modell wird die Reibschubspannung mit der Schubfließgrenze k mit Hilfe des Reibfaktors m in Verbindung gebracht.

Reibung im Fertigungsprozess – Einflussfaktoren auf den Reibungskoeffizient

Einflussfaktoren auf den Reibungskoeffizient

Der Reibungszustand eines Tribosystems ist die maßgebliche Einflussgröße für viele Fertigungsaufgaben. Der Reibungskoeffizient µ ist bei einem Fertigungsprozess von zahlreichen Einflussfaktoren abhängig.

Generell bezieht sich ein gemessener Reibwert immer auf eine spezifische Materialpaarung und ist somit sowohl von Stoffeigenschaften des Werkstücks als auch von denen des Werkzeugs sowie deren Oberflächenbeschaffenheit abhängig. Weiterhin ist die Belastung in Form eingebrachter Kräfte und die Relativgeschwindigkeit des Prozesses zu berück­sichtigen. Einen ganz entscheidenden Einfluss hat darüber hinaus das verwendete Schmiermittel, weshalb mögliche Schmierungsbedingungen. Die Temperatur wirkt sich indirekt über eine Veränderung der Viskosität des Schmiermittels und der Stoffeigenschaften der Reibungspartner aus.

Reibung kann sich in einem Fertigungsprozess sowohl positiv als auch negativ auswirken. Einerseits hat hohe Reibung einen erhöhten Kraftaufwand und eine unkontrollierte Temperatur­entwicklung sowie einen erhöhten Werkzeugverschleiß zur Folge. Andererseits benötigen bestimmte Prozesse wie zum Beispiel Walzverfahren einen gewissen Reibungsbetrag.

Wie erklärt man den Haftgleiteffekt?

Der Haftgleiteffekt oder Stick-Slip-Effekt ist ein kontinuierlicher Wechsel von Haftreibung und Gleitreibung. Der Effekt tritt ein, wenn sich das Kräfteverhältnis zwischen einwirkender Kraft und Haftreibungskraft kurzfristig ändert. Gerade in geschmierten oder elastischen Systemen ist dieses auch als Ruckgleiten bezeichnete Phänomen zu beobachten und meist nicht erwünscht.

1.) Kraft > Haftreibungskraft

Ist die einwirkende Kraft größer als die Haftreibung, bewegt sich der Körper relativ zur Oberfläche. Er gleitet also.

Wird nun entweder die einwirkende Kraft F geringer oder die Haftreibungskraft größer, wird die Gleitbewegung unterbrochen.

2.) Haftreibungskraft > Kraft

Verändert sich beispielweise der Schmierungszustand, dann wird die Haftreibungskraft größer und die Kraft F reicht nicht mehr aus, um den Widerstand zu überwinden.

3.) Kraft < Haftreibungskraft

Auch die einwirkende Kraft kann sich in Ihrem Betrag verändern oder kurzfristig (z.B. durch zu viel Spiel) nicht übertragen werden.

Der Haftgleiteffekt oder Stick-Slip-Effekt tritt ein, wenn sich das Kräfteverhältnis zwischen Haftreibungskraft und Normalkraft kontinuirlich verändert.